Samuel Werder AG

Metallverarbeitung / Feinwerktechnik
Nordwestschweiz
Praxisbeispiel Samuel Werder AG

Wie ist es zur Eingliederung gekommen? (Arbeitgeber)

Bei einem Swissmem-Anlass zum Thema Umgang mit langzeiterkrankten Mitarbeitern lernte ich den Referenten von der Stiftung Profil, Arbeit & Handicap kennen. Unsere Firma engagierte sich schon lange für die Integration von Menschen mit Behinderungen und hat einen Arbeitsplatz für einen Rollstuhlfahrer in der Werkstatt eingerichtet. Profil schlug uns einen Bewerber vor, der zwar nicht im Rollstuhl sass, aber aufgrund eines Unfalles nur noch sitzende Tätigkeiten machen konnte.

Wie ist es zur Eingliederung gekommen? (Arbeitnehmer)

Ich komme vom Strassenbau und habe körperlich immer hart gearbeitet. Dann hatte ich einen schweren Unfall bei der Arbeit. Ich bekomme deshalb eine ½ Rente. Das reicht mir aber nicht zum Leben. Arbeit ist mir wichtig und ich bin sehr zuverlässig. Ich mache alles, Hauptsache ich kann arbeiten. Immer zu Hause zu sein ist nicht gut für mich, ich werde traurig.  

Praxisbeispiel Samuel Werder AG

Nach einem Vorgespräch zwischen Profil und dem Arbeitgeber fand ein gemeinsames Vorstellungsgespräch statt. Mit hoher Transparenz wurde über Ressourcen und Defizite gesprochen sowie über die zur Verfügung stehenden Massnahmen und Mittel. Daraufhin konnte Herr J. an mehreren Tagen für wenige Stunden am Tag im Betrieb schnuppern gehen. Nachdem dies positiv verlief, wurde ein Arbeitsversuch von 3 Monaten zu 50% ohne Lohnkosten für den Einsatzbetrieb vereinbart und Ziele definiert, die innerhalb des Arbeitsversuches erreicht werden mussten, damit es zu einer Anstellung kommen konnte. Es fanden regelmässig Auswertungsgespräche statt zwischen dem Arbeitgeber und Profil, dem Arbeitnehmer und Profil und allen drei Parteien gemeinsam. Pro Infirmis unterstütze Herrn J. bei finanziellen und administrativen Belangen. Nach erfolgreichem Abschluss des Arbeitsversuches bot der Betrieb Herrn J. einen festen Arbeitsvertrag zu 50% an. Da der Betrieb Herrn J. bereits seit 3 Monaten kannte, verzichtete der Betrieb auf die Probezeit im Vertrag. Die ersten 6 Monate unterstützte die IV den Betrieb noch mit Einarbeitungszuschüssen.

Herr J. wurde über die IV mit einem Jobcoaching von Profil unterstützt. Da die fachlichen Kompetenzen im neuen Bereich noch überprüft bzw. entwickelt werden mussten, hat die IV die Finanzierung eines Arbeitsversuches  übernommen. Dabei konnten Pensum, Tätigkeiten und Rahmenbedingungen überprüft und entwickelt werden. Parallel dazu nahm Herr J. an einem Deutschkurs teil. Profil übernahm das Coaching für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer und stellte die Schnittstelle zur IV und die Triagestelle zu Pro Infirmis für persönliche und finanzielle Belange von Herrn J. dar. Nachdem sich im Arbeitsversuch genügend Potenzial gezeigt hat, konnte Herr J. einen unbefristeten Vertrag unterschreiben. Den besonderen Betreuungsaufwand und die noch fehlenden Kompetenzen wurden mit Einarbeitungszuschüssen durch die IV in den ersten 6 Monaten kompensiert. 

Herausforderungen und Empfehlungen des neuen Arbeitgebenden

Bei uns gibt es immer auch einfache repetitive Aufgaben, die aber sorgfältiges Arbeiten und eine gewisse feinmotorische Fähigkeit erfordern. Um jemanden, der nicht flexibel eingesetzt werden kann wie andere Werkstattmitarbeiter, möglichst gleichbleibend zu beschäftigen, braucht es eine gute Organisation, man muss die Arbeit bündeln und kreativ neue Nischen im Betrieb finden.

Aufgrund der Behinderung hatten wir keine Bedenken aber die mangelnden Deutschkenntnisse sahen wir kritisch an. Zudem waren wir nicht sicher, ob Herr J., welcher eher grobe Arbeit gewohnt ist, mit seinen grossen Händen genügend feinmotorische Fähigkeiten entwickeln kann, um eine gute und hochwertige Qualität in angemessener Zeit liefern zu können. Wichtig war aber für uns in erster Linie, dass der Bewerber motiviert und lernwillig ist.

Die Befürchtungen haben sich aber nicht bestätigt und Herr J. macht seine Arbeit sehr gut.

Herr J. lehrt uns in gewisser Weise Demut, wenn wir sehen wie stark er humpelt und wie gross seine Schmerzen sein müssen und dass er trotzdem ohne Klagen seine Arbeiten macht, zuverlässig und pünktlich wie ein Uhrwerk. Mitarbeiter sind unser grosses Potenzial. Ein loyaler, fleissiger Mitarbeiter ist ein Gewinn auch wenn er nur im begrenzten Umfang und Bereich eingesetzt werden kann. Je besser das „Matching“ ist umso grösser der Gewinn für alle.

Persönliche Erfahrung (Arbeitnehmer)

Ich hatte anfangs viel Angst. Ich habe 4, eigentlich 6 Jahre nicht mehr richtig gearbeitet. Ich hatte viele Operationen und immer Schmerzen. Jetzt bin ich glücklich. Ich mache meine Arbeit gut. Es ist eine neue Arbeit und beinhaltet sehr feine, kleine Arbeiten. Dazu gehören: Schleifen, Entgraten und mit der Maschine arbeiten. Der Arbeitsweg jedoch ist sehr lang. Am Abend bin ich immer müde. Ich bin aber immer pünktlich und die Leute sind nett. Hier spricht man deutsch mit mir. Auf dem Bau haben wir immer portugiesisch gesprochen. Ich verstehe deutsch jetzt besser. Ich habe jetzt wieder ein normales richtiges Leben.